Achtsamkeit für jeden Tag

Diagnose Herzschmerz

Eine Trennung belastet und wirkt sich manchmal sogar auf unsere Gesundheit aus. Wie Achtsamkeit uns bei Liebeskummer helfen kann, erklärt Dr. Boris Bornemann

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Liebeskummer tut weh. Manche Menschen empfinden regelrecht Herzschmerzen. Kann das sein?

Liebeskummer ist eine große Belastung für Körper und Seele. Wenn uns die Nähe und Geborgenheit einer Liebesbeziehung entrissen wird, ist das für das Nervensystem sehr stressig. Wir fühlen uns verunsichert, manchmal geradezu panisch. Tatsächlich kann sich diese Belastung auch als Schmerz in unserem physischen Herzen äußern. In sehr seltenen Fällen kommt es sogar zu einer Durchblutungsstörung im Herzmuskel. Man spricht vom „Broken Heart Syndrome“.

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Empfinden wir diese Art von Schmerz wirklich nur nach Trennungen?

Liebeskummer kann sehr unterschiedliche Anlässe haben. Es ist gut, sich klarzumachen, dass die Art des Anlasses an sich nichts darüber aussagt, wie intensiv der Schmerz ist. Und schon gar nicht darüber, ob wir berechtigt sind, ihn zu empfinden. Oft entsteht Liebeskummer, wenn eine romantische Beziehung in die Brüche geht. Dabei kann die Person, die verlässt, genau so stark leiden wie die Person, die verlassen wird. Manchmal verlieben wir uns auch während einer Beziehung in jemand anderen. Sich zu entscheiden, diese Person wieder gehen zu lassen, kann auch Liebeskummer verursachen. Und schließlich können wir lange unglücklich in jemanden verliebt sein.

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Was passiert bei Liebeskummer in uns?

In verschiedenen neurowissenschaftlichen Studien zeigten sich in den Gehirnen Betroffener Muster, die denen ähneln, die sich auch bei Drogenentzug, körperlichem Schmerz und sozialem Ausschluss beobachten lassen. Was wir fühlen, hängt davon ab, was die verlorene Beziehung für uns bedeutet: Wenn wir es vermissen, zusammen zu lachen, Abenteuer zu erleben und Sex zu haben, fühlen wir uns oft sehnsüchtig und rastlos. Wenn wir die Geborgenheit und Vertrautheit vermissen, sind wir niedergeschlagen und einsam. Außerdem wissen Menschen nach Trennungen oft nicht mehr richtig, wer sie ohne die andere Person sind und welche Pläne sie noch haben. Eine Forschungsarbeit der Northwestern University zeigt: Je verunsicherter wir uns diesbezüglich fühlen, umso mehr belastet uns die Trennung.

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Gibt es bestimmte Phasen, die wir nach Trennungen durchlaufen?

Oft gibt es eine Phase, in der wir die Trennung leugnen. Gerade nach langen Beziehungen kann es sich geradezu surreal anfühlen, einen bislang so wichtigen Teil des Lebens zu verlieren. Häufig gibt es auch eine Phase, in der wir mit uns selbst oder unserem Ex-Partner verhandeln: Könnte es nicht doch noch etwas werden, wenn wir nur dieses oder jenes ändern? Parallel dazu gibt es zwei wichtige Gefühle, welche die Trennung begleiten. Erstens Traurigkeit: Bilder der schönen Zeiten und von geplatzten Lebensträumen ziehen am inneren Auge vorüber. Zweitens Wut: Wir sehen, was uns an der Beziehung oder der anderen Person gestört hat und stoßen sie innerlich weg. Das ist oft wichtig, um die Trauer abzuschließen und in die Phasen von Akzeptanz und Neuorientierung überzugehen.

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Wie kann ich mit all diesen schwierigen Gefühlen umgehen?

Es ist wichtig, den Gefühlen zu erlauben, da zu sein, und sie zuzulassen. Wenn wir gegen sie ankämpfen, verlängert sich dadurch zumeist der Trennungsprozess. Es ist gut, sich selbst Zeiten einzuräumen, in denen wir den Gefühlen bewusst nachgehen können – zum Beispiel auf Spaziergängen durch die Natur oder indem wir darüber schreiben. Es ist hilfreich, immer mal wieder innezuhalten, den Körper zu spüren und einfach nur das Gefühl kommen zu lassen, was gerade da ist. Wir sollten direkt nach einer Trennung nicht zu viel von uns verlangen, wenn möglich bei der Arbeit auch mal fünfe gerade sein lassen. Es ist ein seelischer Ausnahmezustand – ähnlich wie bei einer körperlichen Erkrankung. Es ist unbedingt empfehlenswert, sich Unterstützung zu suchen, etwa von Freund:innen oder aus der Familie.

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Wie hilft meditieren dabei, mit Liebeskummer zurechtzukommen?

Beim Meditieren lassen wir uns so sein, wie wir sind. Wir nehmen uns bewusst Zeit, damit sich Gefühle zeigen und Erinnerungsbilder aufsteigen können. So können Traurigkeit, Wut und Schmerz leichter verarbeitet werden. Oft können wir bei der Meditation auch klarer sehen, was in uns vor sich geht. Zum Beispiel erkennen wir, was es ist, was wir vermissen und brauchen: Wollen wir uns geborgen fühlen oder wertgeschätzt werden? Wie finde ich das, was ich brauche, außerhalb der Beziehung? Schließlich lernen wir beim Meditieren, uns gut um uns selbst zu kümmern. Wir üben, uns selbst Liebe zu geben.

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Wie gelingt es, die Beziehung im Nachhinein nicht zu idealisieren?

Wenn eine Beziehung, die zumindest phasenweise schön war, zu Ende geht, ist es normal, dass wir vieles vermissen: die Insider-Witze, den Geruch des anderen, gemeinsame Rituale. Manchmal verlieren wir uns so sehr in Sehnsuchtsbildern, dass die Beziehung in einem unrealistischen Licht erscheint. Es hilft dann, sich auch zu vergegenwärtigen, was schwierig war: Wo haben wir gestritten, waren unbefriedigt oder haben uns gegenseitig verletzt? Es ist außerdem oft schwer, sich vorzustellen, dass man jemals wieder so sehr lieben wird; dass es mit jemand anderem so schön sein kann. Das ist ein Zeichen, dass unser Herz noch gebunden ist. Mit dem Verstand können wir vermutlich einsehen, dass eine neue Liebe möglich ist. Aber das Gefühl ist langsamer. Wir brauchen noch Zeit zum Trauern. Es ist gut, sich diese Zeit zu nehmen.

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Wie kann ich eine vergangene Liebe loslassen und mein Herz wieder für eine neue Liebe öffnen?

Es kann sehr hilfreich sein, über die persönlichen Erfahrungen mit der Beziehung zu schreiben – in einem Journal oder Tagebuch zum Beispiel. Leiten können uns dabei Fragen wie die folgenden: Was habe ich gelernt? Was war wertvoll für mich? Was war schwierig? Welchen Sinn ergibt es, dass die Beziehung nun zu Ende geht? Was wünsche ich mir für meine Zukunft? Das Schreiben dient dazu, die Beziehung als Teil unserer Lebensgeschichte zu begreifen. Das Ende der Beziehung kann ein guter Zeitpunkt sein, um neue Hobbys zu beginnen, zu reisen oder andere Dinge zu tun, die uns schon lange anziehen. Wenn wir uns auf den Weg zu dem machen, was uns belebt und erfreut, finden sich oft ganz spontan und unerwartet faszinierende neue Gefährtinnen und Gefährten.

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Wenn eine Liebe zu Ende geht, wünschen sich viele, dass daraus eine Freundschaft wird. Geht das, und wenn ja, wie?

„Lass uns Freunde bleiben.“ Hinter diesem Satz steckt oft eine gute Intention: Wir wollen in Frieden auseinandergehen, uns wohlgesinnt bleiben. Das ist prinzipiell eine gute Idee. Manchmal gibt es auch äußere Gründe, wie gemeinsame Freunde oder Kinder, aufgrund derer wir uns ein gutes Verhältnis wünschen. Viele Beispiele zeigen, dass es möglich ist, dass aus einer Liebesbeziehung eine Freundschaft wird. Aber die Transformation braucht Geduld, Feingefühl und ehrliche Kommunikation. Wir sollten uns zunächst selbst fragen: Warum will ich das? Wie viel Abstand brauche ich? Heißt Freundschaft, dass wir uns einmal im Monat sehen oder zweimal in der Woche? Kann ich es gerade ertragen, wenn er oder sie mir von neuen Liebschaften erzählt? Dann sollten wir miteinander darüber reden und schauen, wie wir unsere Bedürfnisse zusammenbringen. Wir müssen immer wieder neu ergründen, was wir brauchen, und darüber im Gespräch bleiben.

Bild: Mary Long/ Adoby Stock