Achtsamkeit für jeden Tag

Die Kraft der Affirmation

Positive Sätze gelten als Werkzeug gegen Selbstzweifel und Selbstkritik. Wie Affirmationen funktionieren und wem sie helfen können, erklärt Boris Bornemann

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Man hört ja viel von der Kraft der Affirmationen. Aber was ist das eigentlich genau?

Affirmationen sind Sätze, die dabei helfen können, Gedanken in eine hilfreiche Richtung zu lenken. Wir können sie innerlich zu uns spre­ chen, sie durchlesen oder auch laut sagen. Mit Sätzen wie „Ich bin liebenswert“ oder „Ich kann das“ können wir beeinflussen, was wir über uns denken und wie wir fühlen. Oder uns an unsere Werte erin­nern, wie zum Beispiel: „Ich möchte fair und freundlich sein.“

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Wie und warum können sie sich positiv auf mein Leben auswirken?

Unser Gehirn hat von Natur aus die Neigung, das zu betonen, was schwierig und problematisch ist. Dieser Fokus war im Laufe der Evolu­ tion hilfreich. Er hat dafür gesorgt, dass wir Gefahren aus dem Weg gehen und für die Zukunft vorsorgen. Das ist natürlich auch heute noch nützlich. Aber wenn wir uns nur auf das Negative fokussieren, entgehen uns häufig Chancen. Wer nicht daran glaubt, eine Beförde­ rung zu verdienen oder erreichen zu können, wird sie vermutlich auch nicht bekommen. Und natürlich macht es auf Dauer nicht besonders glücklich, alles schwarz zu sehen. Affirmationen sind ein Weg, freund­ lichere und hellere Gedanken in das Leben zu bringen. Sie machen uns glücklicher und handlungsfähiger.

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Gibt es auch Fälle, in denen Affirmationen schaden?

In einer kanadischen Studie sollten Personen den folgenden Satz wieder­ holen: „Ich bin eine liebenswerte Person.“ Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl fühlten sich danach etwas wohler. Der Satz erinnerte sie
an etwas, was sie ohnehin für wahr hielten. Diejenigen mit niedrigem Selbstwert waren danach allerdings deutlich unglücklicher. Die Übung machte sie darauf aufmerksam, dass sie sich eben gerade nicht für liebens­ wert hielten. Affirmationen können uns also nichts einreden, was wir nicht wirklich glauben. Das sorgt eher für Spannung und inneren Widerspruch. Wir sollten durch Affirmationen nicht versuchen, das Unangenehme in uns zu verdrängen. Gesünder ist, es anzu­ erkennen und ihm behutsam positive Perspektiven an die Seite zu stellen.

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Was sind hilfreiche, was weniger hilfreiche Sätze?

Affirmationen sind hilfreich, wenn sie an einen positiven Aspekt der eigenen Wirklichkeit erinnern. Etwa: „Ich darf mich in jedem Moment für das entscheiden, was mir wirklich guttut.“ Britische und US-amerikanische Studien zeigen auch gute Effekte von Sätzen, mit denen wir uns an Pläne oder Werte erinnern: „Ich möchte mich gut ernähren.“ Oder: „Ich will mich für Gerechtigkeit einsetzen.“ Günstig ist, wenn die Sätze Bezug zu Handlungen haben. Kinder, die sich vor einer Klausur sagten: „Ich werde mein Bestes geben“, schnitten in einer niederländischen Studie besser ab. Keinen Effekt hatte hingegen: „Ich kann das.“ Problematisch sind Sätze, die die Wirklichkeit verzerren, wie: „Alle lieben mich.“ Vielleicht fühlen wir uns kurzfristig gut, aber langfristig erzeugen wir unrealistische Erwartungen.

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Manchmal nehmen wir uns selbst die Sätze nicht ab. Was dann?

Wenn wir uns nur auf das Positive in unserem Leben fokussieren, kann es einen Kontrasteffekt geben: Das Gegenteil der Affirmation, das oft auch in gewisser Weise stimmt, tritt hervor und möchte an- erkannt werden. Nehmen wir zum Beispiel: „Ich bin sehr glücklich mit meiner Beziehung.“ Das mag in vielen Situationen stimmen, und es kann schön sein, sich daran zu erinnern. Aber sicher gibt es auch Konflikte. Es wäre fatal, das auszublenden. Der Satz leugnet bei näherem Hinsehen also unsere Wirklichkeit. Das erzeugt Anspannung. Gleichzeitig berauben wir uns durch die Fokussierung auf das Positive der Möglichkeit, an Beziehungsproblemen zu arbeiten. Besser sind Affirmationen, die uns zugleich Kraft geben als auch realistisch sind. Etwa so: „Ich liebe meinen Partner. Wir sind oft glücklich zusammen. Dafür bin ich dankbar.“ Und zusätzlich: „Ich will Schwierigkeiten anerkennen und klug damit umgehen, sodass wir daran wachsen können.“

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Wie finde ich heraus ob mir eine Affirmation persönlich guttut?

Es sollte sich wohltuend anfühlen, die Sätze zu sprechen oder zu lesen. Bei einer guten Affirmation haben wir den Eindruck, dass wir uns an etwas Wesentliches erinnern, was wir eigentlich wissen, was aber manchmal aus dem Blick gerät, wie zum Beispiel: „Mit meinen Entscheidungen erschaffe ich meine Welt.“ Wir können Affirmationen aber auch nur über einen bestimmten Zeitraum verwenden, zum Beispiel einen Monat, um danach zu fragen: Hat sich durch diese Affirmation etwas in meinem Leben zum Positiven geändert? Wenn nicht, können wir überlegen, wie wir den Geist der Affirmation stärker in die Tat umsetzen können.

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In welchen Situationen und für wen können Affirmationen besonders nützlich sein?

Sie können uns in Zeiten der Verunsicherung stützen und Kraft geben. Zum Beispiel wenn wir vor einem Vorstellungsgespräch sehr nervös sind. Dann kann es helfen, sich zu sagen: „Ich bin gut für diese Stelle geeignet. Ich werde die Menschen überzeugen.“ Wir sprechen uns damit selbst Mut zu. Besonders für Men- schen, die vielen Verunsicherungen ausgesetzt sind, können Affirmationen wertvoll sein. In einer US-amerikanischen Studie profitierten vor allem die afroamerikanischen Schulkinder davon, wenn sie ihre Werte affirmierten. Sie fühlten sich nicht nur besser, sondern bekamen auch bessere Noten. Darauf zu schauen, was ihnen wichtig ist und was sie ausmacht, half den Kindern, ihre Stellung zu finden und problematischen Fremdzuschreibungen, denen sie in ihrem Alltag begegneten, zu trotzen.

Foto: Katharina Wright