DIE NEUE FLOW!

Die neue Flow liegt ab sofort für dich am Kiosk!
Oder du bestellst sie online zu dir nach Hause unter shop.flow-magazin.de.

Das sind die Themen in diesem Heft:


Weniger Chaos im Kopf

Annemiek Leclaire sucht nach Wegen, das Alltagsrauschen leiser zu drehen und innere Ruhe und Klarheit zu finden

Erzähl doch mal
Es bereichert und verbindet, wenn wir uns gegenseitig aus unseren Leben berichten. Wie wir das kultivieren können

Lebenslauf: Suleika Jaouad
Als junge Frau erkrankte die amerikanische Schriftstellerin an Leukämie. Das Schreiben half Suleika Jaouad, sich wieder auf das Leben einzulassen

Du musst gar nichts
Viel zu oft jagen wir Unerreichbarem hinterher, sagt der Psychologe Ernst Bohlmeijer. Und plädiert dafür, mehr das wertzuschätzen, was wir schon haben

Minikurs: Nein sagen
Wir haben mit Pfarrerin Maike Schöfer darüber gesprochen, warum Nein sagen so wichtig und oft ein guter Anfang ist

Freunde fürs Leben
Seit unsere Autorin einen Hund hat, fühlt sie sich viel wohler. Warum die Beziehung zu Vierbeinern so einzigartig ist

Trostrezept
Kürbisse läuten für Kochbuchautorin Saskia van Deelen die gemütliche Jahreszeit ein. Zwei Lieblingsrezepte

Porträt: Simone de Beauvoir
Schon als Kind eigenwillig, ging sie als Schriftstellerin, Philosophin und Feministin eigene Wege. Über eine Vordenkerin

Bewegung für die Seele
Sport stärkt nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Warum das so ist und wie wir eine gute Routine finden

Buchtipps für den Herbst
Hier kommen die aktuellen Lieblingsbücher der Flow-Redaktion

✂️ Papierextras: Anti-Grübel-Poster und DIY-Windlichter

Das Titelbild hat die Illustratorin Yani Hamdy gestaltet. Wir wünschen dir viel Freude beim Lesen und Entdecken!

LESEPROBEN aus der neuen FLOW

FLOW Nummer 93

Weniger chaos im Kopf

Der Alltag rauscht, die Gedanken kreisen, und innere Unruhe macht sich breit: Viele Menschen sehnen sich nach mehr innerer Ruhe und Klarheit. Annemiek Leclaire sucht nach Wegen, den Lärm im Kopf leise.
zu drehen und wirklich abzuschalten

Leise Musik zum Feierabend, fünf bis zehn Minuten mit einer Meditationsapp und ab und zu noch ein paar Sudoku-Rätsel – seit Jahren nutze ich schon die gleichen Werkzeuge, um nach einem langen Tag zu entspannen. Doch momentan merke ich immer häufiger, dass sie nicht mehr so gut funktionieren. Mehr noch: Mein Kopf scheint sich regelrecht dagegen zu sträuben, endlich zur Ruhe zu kommen. Und so wälze ich mich stundenlang im Bett statt einzuschlafen. Und möchte ich zur Ablenkung in einem Buch lesen, kann ich mich nur schwer auf die Buchstaben vor mir konzentrieren. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, den Überblick über all meine To-dos zu verlieren, vergesslich zu sein. Stattdessen hänge ich ständig in Gedankenschleifen fest – über meine Arbeit, mein Leben und auch über die aktuelle Lage der Welt. Ich finde einfach den Ausschalter in meinem Kopf nicht mehr. Ich frage mich, woran das liegt und vor allem, wie ich das langfristig ändern kann.

Illustration: Yanii Putrii

Weiterlesen in der aktuellen Ausgabe von Flow

Reiter zu Pferd

„In den letzten Jahren ist die Welt da draußen hektischer geworden“, sagt die Psychologin und Stress-Expertin Séverine Van De Voorde. „Wir sind einfach zu beschäftigt, schalten zu selten einen Gang zurück. Bei der Arbeit muss man immer mehr mit immer weniger Kolleg:innen erledigen. Selbstständige machen Überstunden, um die gestiegenen Kosten für Miete und Lebensunterhalt zu bezahlen. Man muss nicht hochsensibel sein, um sich davon überwältigt zu fühlen.“ 

 

Auch außerhalb der Arbeitszeit wird es zunehmend hektischer und unser Kopf ist ständig gefordert. „Versuche mal, dir deine Krankenversicherungsabrechnungen anzusehen, ohne zuerst eine App für die Zwei-Faktor-Authentifizierung zu installieren und dann noch eine für den Scan deines Ausweises“, so Van De Voorde. Eigentlich sollen uns die vielen technischen Hilfsmittel den Alltag erleichtern, doch in der Realität verheddern wir uns im Multitasking – wir wechseln permanent zwischen Apps, Nachrichten und anstehenden Aufgaben. Dabei weisen Studien schon lange darauf hin, dass sich unser Gehirn lieber auf eine Sache nach der anderen konzentriert als auf viele gleichzeitig. „Je stärker wir im Alltag zwischen allem Möglichen hin- und herspringen, desto anfälliger werden wir für Konzentrationsprobleme und Vergesslichkeit“, sagt Van De Voorde. 

 

Bei Menschen, die das auf ihrem digitalen Endgerät tun, wurden sogar strukturelle Veränderungen im Gehirn nachgewiesen, etwa eine Verringerung der grauen Substanz im Bereich der kognitiven Kontrolle. „Wenn dein Gehirn ständig zu viele Informationen verarbeiten muss, bleibt das Niveau der Stresshormone Adrenalin und Cortisol zu hoch. Dein Gehirn verbindet das mit Gefahr. Dadurch gerät die Amygdala, der emotionale Teil deines Gehirns, in Alarmbereitschaft. Du wirst hyperaufmerksam, bist ständig wachsam, schläfst schlecht. Außerdem kann durch diesen ständigen Notzustand der präfrontale Cortex, der Teil des Gehirns, der für Denken, Planen, Selbstbeherrschung und Entscheidungsfindung zuständig ist, weniger gut arbeiten.“ Van De Voorde vergleicht den präfrontalen Cortex mit einem Reiter und die Amygdala mit einem Pferd. Wenn das Pferd in Panik gerät und steigt, wird die Reiterin, die die Zügel unseres Handelns halten sollte, abgeworfen. Dann entsteht Chaos im Kopf: die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, mangelnde Konzentration, Schlaflosigkeit. Oder schlimmer: Angst oder Depression.

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Flow Nummer 93

Minikurs: Was Nein sagen bewirkt

Der Flow-Minikurs beleuchtet diesmal, wie ein Nein zu mehr Klarheit verhilft und Veränderung anstößt. Wir haben darüber mit Pfarrerin Maike Schöfer gesprochen, die ein Buch zum Thema geschrieben hat?
Text: Sarah Klüß

WESHALB IST EIN JA SCHNELLER GESAGT ALS EIN NEIN?


Das Ja stimmt zu und geht mit – alles bleibt beim Alten. Das ist erst mal einfacher. Wenn ich etwas ablehne, stößt das

eine Veränderung an und hat auch mit mir selbst zu tun. Ich muss in mich hineinhören: Warum möchte ich etwas nicht? Womit fühle ich mich unwohl? Was soll anders werden? Das kostet mich mehr Energie als ein schnell gesagtes Ja. Auch der Gedanke an mögliche Konsequenzen kann uns davon abhalten, offen zu sein. Wir wollen andere nicht verletzen, haben Angst vor Ablehnung oder fürchten berufliche Folgen. Neinsagen hat keinen guten Ruf, es gilt als negativ und unbequem. Also halten wir unser Nein oft zurück.

 

WARUM IST ES TROTZDEM WICHTIG, SELBSTBEWUSST NEIN SAGEN ZU KÖNNEN?

Weil ein Nein auf der einen Seite immer auch ein Ja zu mir selbst und meinen Grenzen ist. Keine Frage: Es bereichert unser Miteinander, wenn wir mit Offenheit und Zustimmung aufeinander zugehen. Für diese Haltung stehe ich ja auch in meiner Arbeit als Pfarrerin und Seelsorgerin. Aber wenn man übermäßig oft und ohne Rücksicht auf das eigene Empfinden Ja sagt, werden die persönlichen Grenzen nicht deutlich. Sie verwässern, verschwimmen und können viel leichter überschritten werden. Mit einem klaren Nein übernimmt man Verantwortung und bleibt im Kontakt mit anderen authentisch. Und wenn das Nein von vielen gemeinsam ausgesprochen wird, kann es sogar gesellschaftliche Veränderungen anstoßen.  

IN WELCHER HINSICHT?

Anhand der #MeToo-Debatte ließ sich zum Beispiel beobachten, wie viel Kraft ein kollektives Nein entwickeln kann. Wir leben in einer Kultur des Jasagens und des Schweigens. Wenn Grenzen überschritten werden, wird das eher übersehen oder ignoriert. Bleibt man in Anbetracht von Unrecht still, wirkt das wie eine Zustimmung: Man nimmt die Dinge hin und begünstigt ungerechte Systeme. Stellung zu beziehen ist deshalb auch eine gesellschaftliche Aufgabe.

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Was Nein sagen bewirkt
Foto: Shutterstock