Achtsamkeit für jeden Tag
Gelassener mit Stress umgehen
Wenn wir sehr gestresst sind, ist das nicht nur für uns selbst anstrengend. Oft bekommt es auch unser Umfeld zu spüren, weil wir ungeduldig sind, aufbrausend reagieren. Wie sich das ändern lässt, erklärt Boris Bornemann
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Was geschieht eigentlich genau in unserem Körper, wenn wir gestresst sind?
Stress ist ein Programm des Körpers für besonders fordernde Situationen. Der Sympathikus wird aktiviert. Das ist der Teil des Nervensystems, der uns in Aktion bringt. Adrenalin wird ausgeschüttet. Das Herz beschleunigt sich. Das Blut geht aus den Organen eher in die Muskeln. Bei längerer Belastung wird auch Kortisol ausgeschüttet. Dieses Hormon hilft dabei, dass im Blut mehr Zucker und somit Energie zum Denken und Handeln bereitgestellt wird.
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Wie wirkt sich Stress auf unsere Gefühle und unser Verhalten aus?
Kurzfristig helfen Stressreaktionen des Körpers dabei, eine Belastung zu bewältigen. Wir sind wacher und aktivierter, was beispielsweise dazu führen kann, fokussierter eine Präsentation bei der Arbeit zu halten, eine Hausarbeit unter Druck dennoch gut zu schreiben oder ein schwieriges Gespräch zu führen. Problematisch wird Stress nur dann, wenn wir längere Zeit nicht aus ihm rauskommen. Rein körperlich gesehen leidet dann zum Beispiel das Immunsystem. Wir werden schneller krank. Seelisch kann Stress sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen: Einige fühlen sich abgeschlagen, müde und lustlos. Sie ziehen sich zurück. Andere fühlen sich eher gereizt und werden aggressiv. Meist sind wir in solchen Situationen gedanklich stark mit unseren Problemen beschäftigt, was uns weniger empathisch und verständnisvoll gegenüber anderen macht.
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Wie kann uns Achtsamkeit helfen, gelassener zu bleiben?
Es ist hilfreich, immer mal wieder für ein paar Augenblicke mit uns selbst einzuchecken. Wie fühlt sich der Körper gerade an? Ist da Anspannung? Wie fließt der Atem? Was machen die Gedanken? Wie fühle ich mich dabei? Es ist gut, dies sowohl im Körper zu spüren als auch mit ein paar Worten innerlich zu beschreiben. Nur wenn wir wissen, was in uns geschieht, können wir das berücksichtigen und uns fragen, was jetzt hilfreich wäre: eine Pause machen? Mit jemandem sprechen? Erwartungen und Ansprüche an sich selbst anpassen? Beim Meditieren stärken wir den Kontakt zu uns selbst und werden feinfühliger dafür, was in uns geschieht. So ist es auch im Alltag leichter, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und besonnener zu handeln.
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Oft bekommen auch eigentlich Unbeteiligte unseren Stress zu spüren. Wie lässt sich das verhindern?
Wir können uns darin üben, gegenwärtig zu sein. Das hilft dabei, sich mit den Menschen zu verbinden, die wirklich gerade da sind. Wir spüren den Körper und konzentrieren uns darauf, was wir riechen, sehen, hören oder schmecken. Das bringt uns ins Hier und Jetzt. Wenn uns eine alte oder zukünftige Situation innerlich sehr beschäftigt, kann es günstig sein, das kurz anzusprechen. Dann wissen die Menschen um uns herum, warum wir gereizter reagieren als sonst oder zurückgezogen wirken. So beziehen sie es nicht fälschlicherweise auf sich. Nach der Arbeit können wir außerdem ein „Schwellenritual“ machen: Wir können zum Beispiel darüber nachdenken, was wir an dem Tag erledigt haben, und dies wertschätzen. Anschließend: Die Arme heben, sie ausatmend fallen lassen und die Arbeitswelt dabei bewusst loslassen.
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Was passiert in unseren Beziehungen zu anderen, wenn wir Stress ungefiltert weitergeben?
Personen, die immerzu als Blitzableiter für unseren Stress herhalten müssen, werden sich vermutlich von uns zurückziehen. Wenn wir beispielsweise unsere:n Partner:in zur Schnecke machen, nur weil sie oder er ihre dreckige Tasse auf dem Küchentisch hat stehen lassen, können wir uns sicher sein: Eigentlich geht es um etwas anderes. Dann sollte man sich fragen, was es wirklich ist, was einen so angespannt macht. Andernfalls gefährdet man am Ende die Beziehung. In solchen Situationen ist es wichtig, dass wir klar miteinander sind und unfaires Verhalten benennen. Wenn wir uns als Blitzableiter fühlen, können wir zum Beispiel sagen: „Ich finde es unangemessen, wie du mit mir redest. Kannst du mir bitte erklären, was gerade bei dir los ist?“
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Wie kann ich angemessen artikulieren, dass ich mich gestresst fühle?
Manchmal reicht es einfach zu sagen: „Ich bin gerade ziemlich gestresst.“ So wissen andere, warum wir kurz angebunden sind. Wenn wir hingegen mit der anderen Person zusammen etwas an der Situation, die uns stresst, verändern wollen, sollten wir präziser sein. Erstens: die Umstände benennen, die uns stressen. Zweitens: artikulieren, wie wir uns fühlen. Angespannt, wütend oder energielos? Drittens: zusammen überlegen, was wir brauchen – vielleicht mehr Ruhe oder präzisere Absprachen. Viertens: gemeinsam überlegen, was nötig wäre, um den Stress zu vermindern.
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Was kann ich tun, um mich nicht vom Stress anderer anstecken zu lassen?
Indem wir den eigenen Körper spüren, nehmen wir auch unsere Gefühle klarer wahr. Wir bemerken dann schneller: Ah, ich werde angespannt, wenn diese Person so mit mir spricht. Wir können uns während des Gesprächs dann weiter im Körper verankern. So lassen wir uns nicht so leicht davontragen von den stressigen Gefühlen und Gedanken anderer, die manchmal eine große Sogkraft entwickeln können. Wenn jemand angespannt auf uns wirkt, können wir die Person fragen, wie es ihr gerade geht, und damit signalisieren: „Ich nehme dich wahr.“ Das kann die Person entlasten. Und auch wir selbst fühlen uns oft ruhiger und klarer, wenn wir wissen, was los ist. Manchmal ist es aber auch wichtig, sich vorübergehend aus der Situation zu entfernen, um durchzuatmen.
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Was hilft, wenn die Situation dennoch eskaliert ist?
Wenn wir bemerken, dass wir jemanden unfair behandelt haben, sollten wir uns entschuldigen. Manchmal haben wir im Stress zwar nichts Verletzendes gesagt oder getan, aber wir waren dennoch unnahbar, gedanklich abwesend oder haben wenig Interesse an der anderen Person gezeigt. Dann sollten wir uns bei ihr für ihre Geduld bedanken. Wir können nun bewusst die andere Person in den Mittelpunkt stellen. Wir können sie fragen, wie es ihr geht oder gemeinsam etwas unternehmen. Jede:r gibt manchmal unabsichtlich Stress an andere weiter. Aber zum Glück haben wir auch die Fähigkeit, uns wieder zu verbinden und einander Gutes zu tun.
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Viel Stress entsteht bei der Arbeit. Wie können Unternehmen darauf achten, Stress einzudämmen?
Stress ist kein individuelles Phänomen. Wir sollten daher in Unternehmen gemeinsam darauf achten, eine Kultur zu etablieren, die Stress im Rahmen hält. Die größte Verantwortung dafür kommt den Führungskräften zu. Aber alle Mitarbeitenden können darauf hinwirken. Zentral ist, Pufferzeiten und Freiräume einzuplanen. Wenn wir ausreichend Zeit für Projekte haben, sind wir nicht nur zufriedener, sondern auch kreativer und machen weniger Fehler. Auch Pausen sind wichtig. Nach einer Stunde konzentrierter Arbeit sollte es zumindest eine kurze Auszeit geben. Auch Räume für Rückzug, zum Beispiel für einen Mittagsschlaf oder zur Meditation, gehören an einen modernen Arbeitsplatz. Es ist auch hilfreich, sich untereinander zu erkundigen: Was läuft gut? Was nicht? Wo brauche ich Unterstützung oder Entlastung? Halb private Veranstaltungen wie Betriebsfeiern und -ausflüge helfen, sich menschlich näherzukommen. Dadurch fühlen wir uns am Arbeitsplatz oft entspannter und mehr mit den anderen verbunden.
Bild: Jolie/ Adobe Stock