Achtsamkeit für jeden Tag

Innere Stärke finden

Häufig sind wir uns unserer Ressourcen gar nicht bewusst. Wir sehen nur das, was uns behindert. Wie uns Achtsamkeit in solchen Momenten helfen kann, sagt Boris Bornemann.

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Warum fällt es uns oft so schwer, an unsere eigene Kraft zu glauben und sie zu aktivieren?

Oft werden bereits in der Kindheit durch Erziehung oder den Kontakt mit anderen Glaubenssätze erworben, die uns im Weg stehen: Ich darf nicht laut sein, nicht auffallen, sollte meinen eigenen Willen zurückstellen. Aber auch kulturelle Stereotype beeinflussen uns. Studien zeigen zum Beispiel, dass Mädchen in einem Mathetest schlechter abschneiden, wenn sie auf dem Testbogen ihr Geschlecht ankreuzen müssen.

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Wie finde ich heraus, was mich in meinem Leben schwächt?

Um Energieräuber zu erkennen, lohnt sich eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wir sollten uns zuerst fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Was wünsche ich mir von ganzem Herzen? Was will ich in die Welt bringen? Und dann schauen, wo wir uns von unserem Pfad abbringen lassen. Wo stimmen wir zum Beispiel einer Verabredung zu, obwohl wir wissen, dass diese uns nicht wirklich am Herzen liegt? Dazu können wir die vorherige Woche betrachten und fragen: Welche Aktivitäten waren erfüllend, sinnstiftend oder freudvoll? Und welche fühlen sich eher schal und unnötig an? Hinter den Ablenkungen stehen oft Ängste. Wir fürchten, abgelehnt zu werden. Oder wollen von allen geliebt werden. Daher sagen wir „Ja“, wo wir lieber „Nein“ sagen sollten.

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Was bedeutet es, mich selbst zu stärken?

Es kann bedeuten, dass wir bestimmte Fähigkeiten kultivieren. Zum Beispiel lässt sich durch Meditation trainieren, aufmerksamer zu sein, besser mit schwierigen Gefühlen umzugehen oder mitfühlender mit uns zu sein. Aber oft brauchen wir gar keine zusätzlichen Fähigkeiten, weil wir sie ­bereits in uns tragen. Es geht also darum, sich bewusst zu machen, was man eigentlich bereits hat und kann. Das gelingt zum Beispiel, indem wir uns Fragen stellen wie „Wofür bin ich dankbar?“ oder „Was kann ich gut?“. Das lässt sich in einer Meditation erkunden oder durch Aufschreiben. ­Tiefe innere Stärke entsteht, wenn wir uns selbst kennen. Wenn wir wissen, was wir wirklich wollen und wo wir uns selbst im Wege stehen, können wir unser Leben bewusster gestalten. Wir wachsen in unsere Kraft.

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Muss ich mich von Energiefressern in meinem Leben wirklich trennen?

Wir alle müssen manchmal Dinge tun, die nicht ganz unseren Wünschen entsprechen. Es ist nur wichtig zu bemerken, wenn das so ist, um damit nicht mehr Zeit zu verbringen als nötig. Zugleich können wir diese unliebsamen Tätigkeiten auch als Übungsfeld betrachten und schauen, wie wir sie möglichst kreativ, freudvoll oder zumindest effizient gestalten können. Wer innerlich ablehnt, was geschieht, verbraucht unnötig Energie. Manche Energiefresser lassen sich aber auch direkt aus unserem Leben verbannen. Das kostet Kraft, aber es lohnt sich, sobald die Trennung gelungen ist. Wer den falschen Freunden abschwört oder eine unliebsame Gewohnheit aufgibt, bekommt mehr Raum im Leben. Für sinnstiftendere Tätigkeiten. Oder nährendere und schönere Beziehungen.

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Sich selbst zu stärken und sich selbst zu lieben: Wo ist der Unterschied und wie hängt das zusammen?

Sich selbst zu stärken heißt, sich seine Ressourcen und Fähigkeiten bewusst zu machen und sie zu erweitern, das eigene Potenzial zu fühlen und zum Beispiel zu sehen: Ich habe es schon weit gebracht. Ich habe tolle Freundinnen. Wenn es Schwierigkeiten gibt, kann ich sie meistern. Ich kann mich an dem erfreuen, was ist. Und mutig voranschreiten, um meine Träume noch weiter zu verwirklichen. Die innere Erlaubnis dafür kommt aus der Liebe zu uns selbst. Manchmal sabotieren wir uns, weil wir in der Tiefe glauben, dieses Glück gar nicht zu verdienen. Liebe, auch die zu uns selbst, ist die Grundlage dafür, dass wir uns entfalten können. Es geht um den aufrichtigen Wunsch, dass wir glücklich sein ­mögen. Und darum, sich wärmend und akzeptierend zu umfangen, auch wenn der Weg mal steinig oder schmerzvoll ist.

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Wie kann mir Achtsamkeit dabei helfen, zu meiner inneren Kraft zu finden?

Wir können zum Beispiel aufschreiben, was wir gut können und was wir an uns selbst gern mögen. Vielleicht kannst du gut programmieren, Texte schreiben oder zeichnen. Das sind harte Fähigkeiten, die oft am einfachsten zu erkennen sind. Aber denke auch an die weicheren Skills, die mindestens genauso wichtig sind: Vielleicht bist du einfühlsam, kannst gut mit anderen zusammenarbeiten, oder bist geduldig. Du kannst auch notieren, wer und was dich unterstützt: deine Freundinnen und die Familie, die dir zur Seite stehen. Orte oder Gegenstände, die dir ermöglichen, dich auszu­leben. Und ganz wichtig: Frag dich, was deine Vision ist. ­Welche Träume geben dir Kraft?

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Wie kann ich auch in schwierigen Situationen in meiner Kraft bleiben?

Schwierige Gefühle wie Trauer, Wut oder Angst gehören zum Leben. Es ist sehr hilfreich, sich das klarzumachen. Oft leiden wir darunter, dass wir gegen unsere Gefühle ankämpfen. Dass wir versuchen, sie zu unterdrücken, anstatt ihre Botschaft zu hören. Das erzeugt ­Anspannung und verbraucht viel Energie. Auch wenn es etwas Mut und Vertrauen erfordert: Trau dich, die Gefühle da sein zu lassen, zu ­ihnen zu stehen. Dafür ist es zentral, ein liebevolles, warmes Klima in uns aufzubauen. Es geht nicht darum, die Zähne zusammenzubeißen und zu warten, bis das Gefühl vorbei ist, sondern es wirklich zu fühlen und zu verstehen. Den atmenden Körper zu spüren. Die ­Bilder, Erinnerungen und Sehnsüchte in uns wahrzunehmen. Wir können fragen: Was, liebes Gefühl, willst du mir sagen? Und wie kann ich mich jetzt gut um mich kümmern?

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Wie gelingt es mir, meine Ressourcen in meinen Gewohnheiten zu verankern?

Regelmäßige Meditation ist ein guter Weg, um uns zu stärken. Dabei ist es weniger wichtig, wie wir meditieren: im Sitzen, Liegen oder Gehen. Ob wir uns selbst unsere ­Gefühle beschreiben, still mit ihnen sitzen oder darüber schreiben. Oder ob wir unsere Konzentration schulen oder Mitgefühl kultivieren. Vielleicht brauchst du jeden Tag eine andere Praxis. Das Wichtige ist, sich überhaupt Zeit zu nehmen. Am besten täglich. Damit signalisierst du dir: Ich bin es wert, dass ich mich um mich kümmere. Auf welche Weise auch immer. Sport oder Spaziergänge an der frischen Luft erhalten ebenfalls die Vitalität, genau wie der Kontakt zu anderen. Gegenseitig können wir uns auf ­blinde Flecken aufmerksam machen. Wenn wir unsere Beziehungen pflegen, stärken wir also auch uns selbst.

Foto: Unsplash, Julia Baier (Porträt)