DIE NEUE FLOW!
Ab sofort am Kiosk oder per Post zu dir nach Hause bestellen:
die neue Ausgabe von Flow ist da.
Die neue Flow ist ab heute am Kiosk und in unserem Onlineshop zu haben. Das sind die Themen in dieser Ausgabe:
Die süße Sehnsucht nach früher
Jede:r hat sie, diese Erinnerungen an die gute alte Zeit. Warum Nostalgie uns zufriedener macht, Halt gibt und optimistischer in die Zukunft blicken lässt
Gute Gespräche
Unterhaltungen mit Tiefgang tun uns gut, allzu oft aber bleiben wir an der Oberfläche. Das lässt sich ändern
Lebenslauf: Milena Moser
Schreiben ist für sie das konstanteste Glück, das sie erlebt hat: Hier spricht die Autorin über ihr turbulentes Leben
Anders über Geld denken
Wie unsere Einstellung zum Geld unseren Umgang damit beeinflusst
Offen für das Unerwartete
Glück finden wir nicht, wenn wir alles kontrollieren wollen, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Wie wir die Dinge mehr auf uns zukommen lassen
Entscheidungshilfe
Was tun, wenn man bei großen Lebensfragen zweifelt? Neun Strategien
Porträt: Nan Goldin
Die Fotografin lenkt mit ihrer Kunst die Aufmerksamkeit immer wieder auf drängende Fragen unserer Zeit
Getrennte Betten
Als Paar kein gemeinsames Schlafzimmer zu haben sorgt für Irritation. Dabei kann es den Schlaf und die Beziehung verbessern
Bücher für Neuanfänge
Fünf Lektüretipps, die einem Lust und Mut machen, neue Wege zu gehen
Das mache ich morgen …
Wieso vertagen wir wichtige Aufgaben so gern auf später? Und wie lässt sich das endlich überwinden?
In Therapie
Diesmal erzählt Elin, die von ihrer Mutter vernachlässigt wurde, von ihren Therapieerfahrungen
✂ Papierextras
Kärtchen für Komplimente und Selbsthilfebüchlein
Das Cover hat Yani Hamdy / Y.Illustrations illustriert.
Wir wünschen dir viel Freude beim Lesen und Entdecken!
LESEPROBEN aus der neuen FLOW
FLOW Nummer 84
Die süße Sehnsucht nach früher
Vintage-Kleidung, 90er-Partys, Campingurlaub im Retro- Bulli: Wir schwelgen gern in Nostalgie. Annemiek Leclaire hat recherchiert, was uns das bringt und was die Sehnsucht nach Vergangenem mit der Gegenwart zu tun hat
Kürzlich stand ich mit einer Schulfreundin vor dem Reihenhaus, in dem ich früher gewohnt habe. An einem Sonntagmorgen waren wir beide mit dem Zug aus unseren jeweiligen Wohnorten in die Trabantenstadt gekommen, in der wir zusammen aufgewachsen sind, und schwelgten in Erinnerungen. Vor meinem geistigen Auge sah ich den Apfelkuchen, den meine Mutter jeden Freitag backte, und unseren Volvo- Kombi vor der Tür, in den Ferien stets voll beladen mit Campingausrüstung. Die Bilder hatten etwas Tröstliches und Wehmütiges zugleich. Mich durchströmte ein verloren geglaubtes Gefühl von Behaglichkeit – wie ein Lieblingsmantel, der aber nicht mehr passt. Dieselbe Stimmung überkommt mich jedes Mal, wenn ich mit Freundinnen Musik aus unserer Studienzeit höre, alte Fotoalben anschaue oder in der Fußgängerzone den holzigen Duft des Parfüms wahrnehme, in das sich meine Großmutter stets hüllte.
Wir alle kennen dieses Ziehen der Seele, die süße Sehnsucht nach einem vergangenen Glücksgefühl. Auch wenn es das schon immer gab, scheint sie uns aktuell kollektiv mehr denn je umzutreiben: Wir tragen Vintage-Kleidung, feiern 90er Partys, posten Fotos mit körnigem Analogfilter oder knipsen sie gleich mit der Einwegkamera, wenn wir mit einem selbst ausgebauten Campingbus in den Urlaub fahren. Serien wie Babylon Berlin oder Bridgerton haben die Vergangenheit zum Thema, und auch Dokumentationen über die Band Echt oder den Musikfernsehsender Viva beamen uns dorthin zurück. In den Niederlanden eröffnete vor einiger Zeit Huis Sloëtjes: ein 1955 erbautes Reihenhaus in Hilversum, das der Sohn der Bewohner in seinem ursprünglichen Zustand erhalten hat. Sogar die Hochzeitsgeschenke des Paares, das dort einst wohnte (ein Maggi-Halter, Eierlikörlöffel, eine Bohnenschnippelmaschine) sind noch vorhanden.
Alle mit rührender Sorgfalt gepflegt, fast so, als wären sie enge Verwandte oder Freunde, nicht bloß Haushaltsgegenstände. Woher kommt dieses Faible für Vergangenes, was macht den Zauber aus?
Altbekanntes gibt uns Halt, fanden die Wissenschaftlerinnen Aurélie Kessous und Elyette Roux heraus – vor allem in Zeiten, in denen wir mit Unsicherheit in die Zukunft blicken. Umgeben wir uns mit lang vertrauten Dingen, fühlen wir uns sicherer und stärker verankert, wenn sich die Welt um uns verändert. Man könnte sagen: Je rasanter der technische Fortschritt und je unberechenbarer das (politische) Klima, desto größer ist unser Bedürfnis nach Bewährtem. Kein Wunder also, dass ikonische Designermöbel aus den Sechzigern oder Siebzigern auch heute noch extrem angesagt und begehrt sind. Und wir dafür gern auch mal tiefer in die Tasche greifen. Studien zeigen nicht nur, wie gut uns nostalgische Gefühle tun, sondern auch, dass sie uns konsumfreudiger machen.
Weiterlesen in der aktuellen Ausgabe von Flow
Flow Nummer 82
zurück ins gleichgewicht
Psychische Probleme haben oft mit unserem Arbeitsumfeld zu tun oder äußern sich dort. Das nehmen immer mehr Unternehmen ernst und unterstützen die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden, indem sie Onlinesitzungen mit Psycholog:innen organisieren
Der schönste Tag des Jahres 2022 war für mich der, als ich mit einem Freund in seinem kleinen grünen Subaru über holprige Landstraßen durch die ungarische Landschaft tuckerte, ein paar Stunden Fahrt von meinem Wohnort Budapest entfernt. Es war Juni, die Sonne schien, und überall blühte der Holunder – das war auch der Grund für unseren Ausflug. Mit einer Heckenschere bewaffnet stieg ich irgendwo neben einer Wiese aus und machte mich auf die Suche nach den duftenden weißen Büschen. Am Ende des Tages kehrten wir mit zwei großen Ikea Taschen voller Holunderblüten zurück nach Hause; meine Latzhose war vorne ganz gelb vom Blütenstaub, und ich glücklich.
INNERES BLUMENPFLÜCKEN
In dem Buch Tomorrowmind, geschrieben von der Ärztin Gabriella Rosen Kellerman und dem Psychologen Martin Seligman, stieß ich später auf einen Erklärungsansatz für das Glücksgefühl, das ich an diesem Tag verspürte: Von allen Aufgaben, die es gibt, ist mein Kopf scheinbar am besten zum Pflücken wilder Blumen geeignet. Denn die Entwicklung des menschlichen Gehirns verläuft langsam; evolutionär betrachtet haben wir sozusagen erst vor Kurzem begonnen, unseren Lebensunterhalt auf moderne Art und Weise zu verdienen. 200 000 Jahre lang waren wir Jäger:innen und Sammler:innen (was in der Praxis vor allem bedeutete, Wildpflanzen zu pflücken), dann 10 000 Jahre lang Bäuerinnen und Bauern. Erst vor 300 Jahren begann das Industriezeitalter, in dem sich unser Arbeitsalltag allmählich dahin veränderte, wie wir ihn heute als moderne Menschen des 21. Jahrhunderts kennen.
Ein normaler Arbeitstag in meinem Leben sieht – wie bei wahrscheinlich vielen anderen auch – ganz anders aus als jener Tag im Juni: Ich verbringe ihn in der Regel allein und sitze die überwiegende Zeit am Computer. Wenn überhaupt, gehe ich nur für einen kurzen Spaziergang durch die städtische Umgebung vor die Tür. Nachdem ich viel gearbeitet habe, kann ich mich nur selten aufraffen, Leute zu treffen, und verbringe abends deshalb noch mehr Zeit alleine. Diese Umstände hätten eine unmittelbare Auswirkung auf mein psychisches Wohlbefinden, argumentiert Martin Seligman. Würde ich hingegen jeden Tag mit einem Freund Holunderblüten ernten, ginge es mir viel besser.
Dass unser tägliches Arbeitsumfeld einen großen Einfluss auf unsere Psyche hat, erkennen zum Glück immer mehr Unternehmen. Gleichzeitig wächst das Verständnis für psychische Beschwerden, und es gibt ein Bewusstsein dafür, dass wir uns auch dann innerlich schlecht fühlen können, wenn wir produktiv arbeiten oder unsere Kolleg:innen mit einem fröhlichen „Hallihallo!“ begrüßen. Oft liegt das an Faktoren im Privatleben, mit denen umzugehen gerade schwerfällt und die dann wiederum ins Arbeitsumfeld hinüberschwappen. So oder so können wir mental beeinträchtigt sein, ohne an einer Krankheit zu leiden, sagt die Psychologin Helen van Empel. „Die Vorstellung, dass man entweder ‚etwas hat‘ oder nicht, ist heutzutage überholt.“
Aus diesem Grund hat van Empel 2020 das Unternehmen Yet gegründet, das psychologische Hilfe in einzelnen Onlinesitzungen anbietet. Zu den Kunden zählen neben Privatpersonen auch immer mehr Arbeitgebende, denen die mentale Gesundheit ihrer Angestellten am Herzen liegt. Sie können über die Plattform eine Therapiestunde mit zertifizierten Psycholog:innen für ihre Mitarbeitenden buchen, wenn deren Probleme über das hinausgehen, was sich im Arbeitskontext lösen lässt. Das Besondere: Schon ein einziges vertrauliches Gespräch mit den Expert:innen soll dabei helfen, die aktuelle Situation zu verbessern.